Mittwoch, 27. Juni 2012

Der Märchenerzähler


Es war einmal ein Märchenerzähler,
ein unverhofft von Musen Erwählter,
sein Zauber lag im Bildererschaffen,
voll Wortgewalt, mit Versen als Waffen.
Sobald er sprach, erstarben die Klänge,
denn Alles lauschte seinen Gesängen.
Das fesselte, das färbte die Stunden,
das war ein Weg, sich selbst zu erkunden.
Denn, ja, in seinen Märchengestalten,
erkannten sich die Hörer am Walten.
Da war man König, Prinzess und Kaiser
Ein tumber Gnom, ein Barde, ein Weiser.

Die Worte rührten, quälten, erhellten,
erschufen raue, mystische Welten.
Am Ende fand die Liebe zur Liebe
und Edelmut gelangte zum Triebe.
Den Hörer labten Reinheit und Freude,
auf dass er seine Zeit nicht vergeude,
so führte manches Wort in die Tiefe,
als ob das Unheil tatenlos schliefe.
Erzählte Welten labten Gemüter,
erschufen heile, geistige Güter.
In jenen, reinen Märchensekunden,
schien alles Unheil kühn überwunden. --

Wer dachte an den Märchenerzähler?
War er nicht ein vom Schicksal Gequälter?
In ihm ertobten finsterste Schlachten,
wenn Fantasie und Träume erwachten.
Was denkt ihr wohl, ihr lieblich Gerührten,
wohin ihn seine Sinne oft führten?
Die reine Welt der Märchengestalten,
bedarf des Dichters eisernes Walten.
Nur so kann stets die Liebe gewinnen,
nur so der Held dem Tode entrinnen.
Bedenkt das gut, ihr hungrigen Geister,
was euch beglückt, ringt nieder den Meister. 

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